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Wochenbericht – 1. Woche

Mit etwas Verspätung steht mein erster Wochenbericht an. Ich möchte versuchen jede Woche einzeln zusammenzufassen, um euch Einblicke in das Training vor Ort zu ermöglichen. Wie es im Camp aussieht, erfährst du unter diesem Link.

Der Montagmorgen beginnt mit einem vollen Haus und nach Erwärmung und Schattenboxen stehen die ersten Sparringsrunden an. Als Sparringspartner, steht mir der ca. 1,65m große Louis gegenüber. Erhat mit 4 Jahren Kampfsport begonnen und ist jetzt mit 18 Jahren am Beginn seiner Karriere. Wir starten locker und bekommen als Vorgabe nur die linke Faust einzusetzen. Für mich eine noch unbekannte Übung und für den Anfang fehlt die Lockerheit. Louis landet Treffer für Treffer, während ich Probleme habe mich auch seine Körpergröße und Wendigkeit einzustellen. Wir gehen über zwei Runden und nehmen ab der Dritten die Rechte dazu. Ab dem Moment muss ich mich stark zurück nehmen, da meine letzten Sparringseinheiten deutlich intensiver und härter verliefen. Ich versuche ebenfalls mit lockeren Fäusten zu treffen, aber es gibt nicht viel zu holen. Er ist einfach zu schnell. Mein nächster Sparringspartner ist nicht so erfahren und ich versuche einen Gang zurückzuschalten. Mein Kopf steckt noch in den letzten Runden fest und ich merke, dass ich zu intensiv arbeite. Das führt zu bösen Blicken meines Sparringspartners und des Trainers. Die restliche Einheit geht mit dem gewohnten Spiel von Bagwork, Padwork und Stretching zu Ende. Zur Nachmittagssession folgt dem Schattenboxen eine Technikeinheit, die ich zusammen mit Jesse verbringe. Wir arbeiten uns an den Kombinationen ab und stellen fest, dass wir gut harmonieren. Mit den Runden erhöhen wir den Speed und die Frontkicks von Jesse hinterlassen Spuren auf meinem Oberkörper. Ich bin froh, als wir zu den Ellbogentechniken übergehen. Hier liegen meine Stärken und wenn ich mich in der Runde umsehe, erkenne ich, dass Ellbogentechniken eher selten auf dem Programm stehen. Der Großteil der Gruppe tut sich schwer. Nach dem Partnertraining, geht es in die Bag-Area und später ans Padwork. Mein erstes Padwork ist mit Kru Singh und zu diesem Zeitpunkt bin ich noch voll auf Europa eingestellt. Ich schlage die Techniken mit hoher Kraft und bei den Kicks lege ich mich extra ins Zeug. Das Ergebnis davon bekomme ich in der zweiten Runde zu spüren, da die Trainer im Gym viel kleinere Pratzen nutzen als in meinen sonstigen Gyms. Bei den Versuchen den Kick des Tages zu landen, verfehle ich die Pratze und lande am Ellbogen des Trainers. Kru Singh ist nicht erfreut darüber und auch mein Schienbein wird bis zum Beginn der nächsten Woche mit einer Beule leben müssen.

Dienstag leide ich noch etwas unter dem Ellbogentreffer und merke, dass zwei 2h-Trainingseinheiten unter diesen Bedingungen eine ungeahnt starke Belastung sind. Die Sparringspartner am Dienstag wechseln sich ab und mir bleiben hauptsächlich die Runden mit Louis im Gedächtnis. Ich suche meine Vorteile in der Reichweite und arbeite mit langen schnellen Händen. Er kontert aus Sidesteps oder Vorwärtsbewegungen in den Infight. Im reinen Boxen habe ich meinen Meister gefunden, doch sobald Kicks eingesetzt werden dürfen, wendet sich das Blatt. Mit meinen Reichweitenvorteilen bei den Frontkicks kommt er nicht mit. Meine Bewegungen sind nicht flüssig und ich lande nach jedem Kick in einer schlechten Position oder ich habe meine Füße zu platt auf den Boden. Auch das Blocken gelingt mir so nicht.

Zum Mittwoch sparre ich mit Tu Warren. Er ist ebenfalls um einiges kleiner als ich und spielt von der Erfahrung her in einer ganz anderen Liga. Ich habe das Gefühl, dass er sich nicht großartig anstrengen muss, während mir alles abverlangt wird. Wieder stehe ich nach Kicks in der falschen Position oder versuche mit vollem Körpereinsatz zu arbeiten. Meine Füße sind platt auf dem Boden und es gelingt mir nur ein Bruchteil der Attacken zu blocken. Meine Deckung am Kopf ist viel zu statisch, was ihn dazu einlädt, mich mit leichten und schnellen Schlägen in die Doppeldeckung zu zwingen. Sobald ich meine Arme vor dem Kopf verschlossen habe, werde ich mit Kicks attackiert.

Wieder suche ich meine Chance in der Entfernung und will lang arbeiten. Doch meine Beine sind von den letzten Tagen schwer. Die Frontkicks sind schwerfällig und die hohen Kicks zu langsam. Entweder duckt er sich drunter hinweg oder die Technik wird gefangen und sofort gekontert. Auch beim Boxen bin ich noch viel zu langsam, um so einen schnellen Gegner zu treffen. Der Grund dafür liegt hauptsächlich in meiner Anspannung. Die Trainer fordern immer wieder relaxt zu agieren.

Donnerstagmorgen bleibe ich liegen. Mein Körper streikt und schreit nach Erholung. Sechs Trainingseinheiten bei ca. 34 Grad im Schatten waren doch etwas viel. Ich schlafe aus mit der Absicht, nachmittags unten auf der Matte zu stehen. Als es auf 16 Uhr zu geht reaktiviere ich alle Kräfte, ich bin schließlich zum Training hier. Beim Sparring mit Jesse habe ich das erste Mal die Chance gegen einen größeren Gegner zu arbeiten. Es folgen Runden in denen ich viel Lehrgeld zahlen muss. Jesse ist WMF Worldchampion bis 91Kg und genau das bekomme ich hier zu spüren. Da hier viele Pärchen im Ring sparren, steht uns nicht viel Platz zur Verfügung. Unsere Techniken spielen sich deswegen hauptsächlich in der Halbdistanz ab. Er ist ein perfekter Konterboxer, der sich nicht in Bedrängnis bringen lässt. Ich versuche mit Fäusten zum Kopf zu schlagen, er weicht aus oder wehrt ab und antwortet mit eigenen Schlägen. Während seine Fäuste einschlagen sind meine Arme noch auf dem Rückweg und ich kassiere viele Treffer. Ich versuche mich auf meinen Stand zu konzentrieren, doch schon nach wenigen Sekunden stehe ich wieder zu stabil und mit zu großem Abstand auf dem Ringboden. So gelingen mir weder Konter noch Blocks. Mit jeder Runde und jedem Treffer reift in mir die Erkenntnis, dass mein Training hier in Thailand doch viel mehr Basics bedarf, als ich es je vermutet hätte.

Auch Freitag nehme ich nur Nachmittag am Training teil, da die Anstrengung der letzten Tage weiter  ihren Tribut fordert. Wir nehmen uns mit Jesse die Zeit über meine Fußarbeit zu sprechen und er zeigt mir eine Drillübung, mit der ich an meinen Defiziten beim richtigen Stand arbeiten kann. Weil mir diese Übung so gut gefällt werde ich ihr einen eigenen Artikel widmen, bis dahin heißt es üben.

Samstag ist nur eine Einheit und ich konzentriere mich stark auf die Drillübung und meine Fußarbeit. Auch beim Boxen werde ich immer lockerer und schneller.

Fazit der Woche

Der Einstieg lief noch nach meinen Vorstellungen und ich dachte mit Härte und meinen bisherigen Fähigkeiten kann ich gut mithalten. Bei den Ellbogen war es auch problemlos möglich, doch diese finden beim Sparring keine Anwendung. Genau dort trennt sich aber die Spreu.

Für diese Woche bin ich durchgefallen. Mit meiner Behäbigkeit kann ich hier keinen Blumentopf gewinnen. Ich stehe falsch und auch das Blocken von Kicks fällt mir schwer. Beim Boxen komme ich nicht aus den Knick und kann meine Kombinationen nicht wirklich anbringen. Die Deckung ist zu statisch und es gibt zu viele Momente, in denen ich es einfach über mich ergehen lassen will. Aber ich nehme die Vielzahl an negativen Erfahrungen mit in jede Trainingseinheit und versuche daran zu arbeiten. Besonders die Runden am Sandsack nach dem Sparring lassen die Zeit zu, das gerade Erfahrene noch einmal im Kopf durchzugehen. Ich nutze die ersten Runden am Sack immer, um das Sparring noch einmal zu wiederholen. Von elf Einheiten war ich bei neun anwesend und hab versucht immer vollen Einsatz zu zeigen. Zur Mitte der Woche hat sich dann auch mehr Lockerheit breit gemacht und ich habe begriffen, dass viele meine Fehler im Kopf beginnen und ich viel mehr an einfachen Basics arbeiten muss. Welche Basics das sind und wie sich das Training in der zweiten Woche entwickelt, erfahrt ihr in späteren Berichten.

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