Meine Reise war bis hier hin schon mehr als erfolgreich. Die Einblicke in Muay Thai, die ich in den verschiedenen Muay Thai Gyms oder den unterschiedlichsten Veranstaltungen machen konnte sind unvergesslich. Ich habe großartige Menschen getroffen, unterschiedliche Perspektiven erlebt und gute Freunde gefunden. Noch fehlt der Haken hinter einem speziellen Punkt. Der erste Kampf in Thailand. Nach Full Muay Thai Rules über 5×3 Minuten.
Vor dem Kampf kommt die Verletzung
Kurz vor meinem eigentlichen Kampf, habe ich mir Entzündungen der Achillessehne und des Schienbeins in beiden Beinen zugezogen. Die Ursache ist mein Laufstil und die hohe Belastung. Ich habe jede Laufeinheit als kleinen Wettlauf angesehen und versucht meine eigenen Zeiten zu unterbieten. Mit einem Lauf-Tracker im Ohr, der mir die genauen Zeiten für Kilometer und Strecke durchgesagt hat, habe ich mich in einen Rausch gelaufen. Neben dem Laufen, steht man beim Training die meiste Zeit auf seinen Zehenspitzen. Sei es Seilspringen, Übungen auf dem Reifen oder Schattenboxen. Diese Haltung übt eine enorme Belastung für die Achillessehne aus. Als Quittung für meinen Ehrgeiz habe ich eben diese Entzündungen bekommen. Für fast zwei Wochen kein Laufen und einige Tage nur Krafttraining. Mit der Unterstützung der Apotheke meines Vertrauens, konnte ich aber schneller wieder ins Training einsteigen als Gedacht. Seit dem laufe ich entspannt und lasse den Tracker weg. Ich muss niemanden besiegen und laufe abhängig von meiner Tagesform. Als Laufmethode habe ich mir das sog. Natural Running angesehen. Scheint zu funktionieren. Ich habe seit dem keine Probleme mehr und unterstütze mit passender Dehnung vor und nach dem Training.
Vorbereitung auf Hochtouren
Nach dem die Entzündungen weitgehend überwunden waren, haben wir das Training angezogen. Mit Daeng und Robin habe ich zwei grandiose Pratzenhalter als Partner an meiner Seite. Beide unterscheiden sich in ihrem Stil und ergänzen sich dadurch perfekt. Robin legt enorm viel Wert auf Technik und Ausführung. Er nimmt nur die kleinen Handpratzen und hält diese direkt am Körper. Man wird gezwungen mit gezielten Aktionen zu arbeiten. Immer und immer wieder weist er auf Fehler hin und korrigiert die Fußarbeit oder Deckungsarbeit.
Daeng ist das Powerhouse und treibt an. Wenn schon nichts mehr geht, müssen Folgen von Kicks, Knie oder Schlägen abgefeuert werden. In Kombination mit den 4:30 Minuten einer Runde, ist eine Serie Pratzen über drei bis fünf Runden das Anstrengendste was ich bisher erlebt habe. Manchmal falle ich nach Training am Morgen, in einen Zustand der einem Koma gleicht, wohlwissend das sich die Tortur am Nachmittag noch härter wiederholt.
Als Lohn erhält man Schmerzen, blaue Flecke, Prellungen und eine unvergleichliche Fitness. Das harte Training bleibt nicht ohne Folgen. Mit jeder Einheit fühle ich mich besser und schneller. Kleine Durchhänger bleiben nicht aus aber diese müssen einfach überwunden werden. Zwei Wochen nach meinen Entzündungen bin ich mit 86 Kg Normalgewicht (8Kg weniger als bei meiner Ankunft in Thailand) und großen Fortschritten im Thaiboxen, bereit für meinen ersten Kampf.
Auf ins Stadion
Ich bin schon viele Male mit der Lanna Family zu Wettkämpfen in Kalare Stadion gefahren. Ich lasse mir eigentlich keinen Kampf entgehen. Doch heute ist die Stimmung eine andere. Ich fühle mich leicht angespannt und verliere mich in Gedanken. Zu meiner Unterstützung hat sich fast das ganze Gym angekündigt. Ich hätte es lieber etwas ruhiger, doch Support kann nicht schaden. Meine Gedanken kreisen um meinen Gegner und wie er wohl aussehen wird. Ich weiß bisher nur, dass ich gegen einen Thai kämpfen werde. Damit ist auch klar, dass ich gegen einen leichteren Gegner in den Ring steigen werde. Thais in meiner Gewichtsklasse sind eine Randerscheinung.
Im Stadion gesellt sich ein älterer Mann zu Daeng und mir und begutachtet mich. Er fässt mir wieder mal an meine Oberarme und klopft mir auf die Schulter. Starke Oberarme sind hier unverkennbar ein Zeichen von Kraft. Während meiner Reise, ist mir an vielen Orten an die Oberarme gefasst worden und meist gab es ein kurzes „strong“ dazu. Mit dicken Armen kann ich beim Boxen zwar eher weniger anfangen, aber das respektvolle Anfassen sorgt immer für ein Lächeln. Doch was macht der ältere Mann neben mir und warum werde ich von ihm Begutachtet? Bestimmt ist er der Trainer von meinem Gegner, der sich ein Bild machen möchte.
Falsch gedacht. Er ist mein Gegner.
Ich bin kurz sprachlos und verwundert. Dieser alte Mann der ca. 15 Kg leichter als ich ist, soll mein Gegner sein? Doch genug der Überheblichkeiten. Ich muss mein Gedanken erst einmal grade richten und frage bei Daeng nach wie viel Kämpfe er schon auf dem Konto hat. Er ist Trainer aus einem bekannten Gym in Lampang und hat als ehemaliger Nordthailand Champion irgendwas zwischen 200-300 Kämpfe. So genau nimmt das hier keiner.
Daeng meint das er nicht mehr trainiert und keine Ausdauer hat. Trotzdem wird er es mir nicht leicht machen. Mit seiner Erfahrung, die ungefähre das Dreißigfache an meinen Profikämpfen umfasst, sollte er die eine oder andere Überraschung parat haben.
Der Kampf
Ich habe hart dafür trainiert und mit Tony in der Ecke, die Unterstützung die brauche. Ich steige über die Ringseile und schon startet die erste Runde. Der Kampf beginnt und wir lassen es locker angehen. Ich gehe nach vorne und baue leichten Druck auf. Er kontert mit Kicks und die sind wahnsinnig schnell und hart. Unterschätzen darf ich diesen Gegner zu keiner Sekunde. Mit langen Fäusten zeige ich, dass ich meine Reichweite zu nutzen weiß. Er antwortet schnell und unvorhersehbar mit Kicks. Die erste Runde endet ohne Besonderheiten.
Meine Ecke hat nichts zu bemängeln. Daeng meint, dass ich die erste Runde ruhiger hätte angehen lassen sollen. Noch ruhiger? Es kam mir so vor als hätten wir nichts gemacht. Tony als Cornermen hat die wunderbare Idee mir eine Ladung Eis in meine Unterhose zu schütten. Er kommentiert es in seiner unvergleichlichen Art mit: „Das wird dich aufwecken“ und grinst über beide Ohren.
Auf geht’s in Runde zwei. Ich erwarte härtere Attacken und ein höheres Tempo. Eine stabile Deckung soll mich vor wilden Schwingern schützen. Doch so richtig kommt er nicht in Fahrt, befindet sich nur im Rückwärtsgang und kontert. Mit einer größeren Distanz versuche ich seinen Kicks zu entgehen. Um seinen Kicks zuvor zu kommen, bringe ich ihn häufig mit meinen Teeps aus der Balance. Nach einer Punch-Kick-Kombo verkürze ich die Distanz und gehe in den Clinch. Zwei Knie und ein stabiler Ellbogen treffen ihr Ziel und hinterlassen Wirkung.
Wir tauschen noch einige Zärtlichkeiten aus, dann trennt uns der Ringrichter. Runde 2 überstanden.
Die Ecke fordert mehr Kicks und ich soll die Spielereien unterlassen. Ich genieße die Massage mit Eiswürfeln. Nach den Minuten im Ring, kann man durch das ganze Eis die Akkus schön aufladen. So erfrischt geht es zur nächsten Runde.
Ich lege den Vorwärtsgang ein und treibe meinen Gegner vor mir her. Er hat kann meinen Angriffen kaum noch etwas entgegen setzen. Mit einem schnellen Step verkürze ich die Distanz und lasse ein Knie auf seinen Brustkorb folgen. Wir gehen beide zu Boden. Ihn hat es erwischt und ich bin auf diesem rutschigen Untergrund ausgerutscht.
Ich stehe auf und laufe in die neutrale Ecke. Als er wieder hochkommt winkt er ab. Willen gebrochen. Kampf beendet. Er will nicht mehr weiter machen. Dem Gewichts- und Größenunterschied kann er nichts mehr entgegensetzen. Respektvoll bedanke ich mich bei ihm und seiner Ecke.
Draußen gibt es Glückwünsche und Fotos mit neuen Fans. Die Thais, welche viel interessantere Kämpfe abliefern, bekomme diese Aufmerksamkeit ungerechter Weise nicht.
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